Ein kleiner Erreger macht momentan der heimischen Meisenwelt zu schaffen – das Bakterium Suttonella ornithocola. Nachdem schon die Naturschutzorganisation NABU Anfang März auf ein mysteriöses Meisensterben in verschiedenen Teilen Deutschlands hingewiesen hat, sind seit Mitte März einige verendete Blaumeisen aus dem Münsterland von aufmerksamen Naturliebhabern ins CVUA-MEL verbracht worden, um dort pathologisch-anatomische sowie weiterführende Untersuchungen durchführen zu lassen. Bei der Sektion dieser Vögel wurden Darm- und Lungenentzündungen festgestellt. Durch die sich anschließende kulturelle Untersuchung von verschiedenen Organmaterialien in der Bakteriologie zeigte sich in verschiedenen Organen nach 24- bis 48-stündiger Bebrütung ein hochgradiges Wachstum von Bakterienkolonien. Herkömmliche Verfahren zur Diagnostik dieser Kolonien wie die Maldi-TOF-Massenspektrometrie, die bei einer Vielzahl von bakteriellen Erregern angewendet wird, oder biochemische Verfahren zeigten kein oder kein eindeutiges Ergebnis. In Zusammenarbeit mit den Kollegen der Molekularbiologie des CVUA-MEL wurden Teile des genetischen Materials des Bakteriums sequenziert. Die Entschlüsselung bestimmter Gensequenzen wies ein eindeutiges Ergebnis auf: Suttonella ornithocola. Über den Erreger, der erstmals in den 1990er Jahren in Großbritannien bei Meisen beschrieben wurde, ist bislang relativ wenig bekannt. Das Bakterium verursacht Entzündungen, vor allem der Lunge, aber auch des Darms und gilt derzeit nur für Meisen, insbesondere Blaumeisen, nicht aber für andere Vogelarten, Säugetiere oder den Menschen als pathogen. Die infizierten Vögel weisen mitunter einen schlechten Ernährungszustand auf, wirken apathisch, zeigen ein vermindertes oder kein Fluchtverhalten. Als saisonaler Höhepunkt der Erkrankung gilt das Frühjahr. Erstmals in Deutschland berichtete 2018 das CVUA Westfalen über Suttonella ornithocola in Zusammenhang mit einem Meisensterben im Sauerland. Auch bei den derzeitigen Fällen wird das Meisensterben auf Suttonella ornithocola zurückgeführt, weitere Untersuchungen anderer möglicher Ursachen verliefen negativ. Zeitgleich mit den jetzigen Nachweisen im CVUA-MEL wurden auch Nachweise des Bakteriums in anderen Veterinäruntersuchungsämtern weiterer Bundesländer geführt. Der NABU empfiehlt zum Schutz der Meisen, vorhandene Futterstellen zu entfernen, um Ansammlung von Meisen und damit Übertragung des Erregers zu vermeiden. Auch die Vogelwelt ist damit von einer Art social distancing betroffen.